Kai Wiesinger als Karl Spielplatz
  Kai Wiesinger ist den Zuschauern u.a. durch die Beziehungskomödien wie „Kleine Haie“ (Regie Sönke Wortmann, 1991), „Frauen sind was Wunderbares“ (Regie Sherry Hormann, 1993) und „Stadtgespräch“ (Regie Rainer Kaufmann, 1995) bekannt. Seit Mitte der Neunzigerjahre übernimmt Wiesinger vermehrt ernstere Kinorollen, etwa in „14 Tage lebenslänglich“ (Roland Suso Richter, 1996), „Hunger – Sehnsucht nach Liebe“ (Regie Dana Vávrová, 1996), „Comedian Harmonists“ (Regie Joseph Vilsmaier, 1997), „After the Truth – Nichts als die Wahrheit“ (Regie Roland Suso Richter, 1999) und „Emil und die Detektive“ (Regie Franziska Buch, 2001). Kai Wiesinger lebt in Hamburg und hat eine eigene Filmproduktionsfirma.
   
  Karl Spielplatz kehrte nach einer schweren Verletzung halbseitig gelähmt aus dem Krieg zurück und arbeitet fortan als Versicherungsvertreter. Was andere in Traurigkeit oder Selbstmitleid versinken ließe, ficht den ehemaligen Dachdecker anscheinend nicht an. Er bleibt ein lebenslustiger Mann, der gern in Gesellschaft, in Kneipen und bei Frauen auftrumpft, der charmant und witzig ist und dem man immer noch den früheren Draufgänger anmerkt. Karl ist zufrieden mit sich und seinem Leben, bis seine Gefühle sich verwirren: Einerseits fühlt er sich – durchaus auch erotisch - weiterhin stark von seiner Frau Elvira angezogen, andererseits verliebt er sich sterblich in die bildhübsche Nachbarin Almut Hilfers. Will er sich als Mann noch einmal beweisen? Zeigen, dass er kein Krüppel ist? Nur kurze Zeit schafft er den Spagat zwischen den so unterschiedlichen Frauen. Berufliche Probleme wachsen ihm über den Kopf, und plötzlich ist Karl, der Hansdampf in allen Gassen, überfordert, hilflos, ja, schwach, auf die Hilfe beider Frauen und seines Sohnes angewiesen. Zu seinem Glück greifen ihm alle unter die Arme und führen ihn so zurück auf die ruhigeren Umlaufbahnen seines Lebens.
   
  Interview
  Herr Wiesinger, was hat Ihnen an dem Drehbuch zum „Zehnten Sommer“ besonders gefallen?
  Es hatte etwas, was ich bisher selten gelesen habe. Obwohl die Familie Spielplatz relativ intakt ist, zeigt der Film nicht bloß eine heile Welt, sondern ist sehr realistisch im Umgang mit den Figuren und damit erfrischend normal. Mich hat an der Rolle des Vaters gereizt, dass er verschiedene Facetten zeigt: Er ist sehr liebevoll zu seinem Sohn und zu seiner Frau, hat aber auch ein heimliches Verhältnis mit der verführerischen Nachbarin, was nicht ausgespielt wird; er leidet darunter, dass er wegen seiner Kriegsverletzung nicht mehr in seinem eigentlichen Beruf arbeiten kann und kämpft um die nackte, wirtschaftliche Existenz seiner kleinen Familie. Und so hat jeder in diesem Film, ob Kind oder Erwachsener, eine ganz eigene Geschichte, mit der hier jeweils sehr pfleglich umgegangen wird.
       
  Sie haben in „Emil und die Detektive“ mitgespielt und nun in „Der zehnte Sommer“. Haben Filme mit familienbezogenem Inhalt eine besondere Relevanz für Sie?    
  Das kann man nicht so sagen. Aber ich finde es wichtig, dass man mehr Familienfilme in Deutschland macht, als es bisher der Fall ist, Filme, die auch für Kinder sehenswert sind. Entscheidend ist, dass man sich auf die Reise mit einem Film einlässt, was beim „Zehnten Sommer“ wegen seiner poetisch anmutenden Erzählweise und der anderen Zeit, in der er spielt, sicher anfangs für manch jüngeren Zuschauer ungewöhnlich ist. Schließlich haben Kalli, Polli, Walter und Franzi keine Gameboys, keine Handys, keinen Fernseher, sondern selbst geschnitzte Messer, mit denen sie im Wald spielen. Aber ich bin überzeugt davon, dass der Film bei den Zuschauern ankommt, wenn sie sich einmal auf Kallis Geschichte eingelassen haben.    
       
  ... weil sie in eine andere Welt entführt.    
  Das ist ja auch die Aufgabe des Schauspielers: Geschichten zu erzählen, die Zuschauer in den Sog einer Geschichte hineinzuziehen, sie in eine andere – in diesem Fall – vergangene Zeit, die der Sechzigerjahre zu entführen. Aber leider unterliegen wir Schauspieler, die Produktionsfirmen und Sender zunehmend dem Quoten- und Erfolgsdruck, der letztlich über Inhalte, Qualität und, aufgrund der Werbeblöcke, auch über den Verlauf eines Films entscheidet.    
       
  Sie waren jüngst im feinen Zwirn zu bewundern, als Sie für Herrenmode gemodelt haben. Werden Sie das in Zukunft weiterhin tun?    
  Wenn es sich ergibt, warum nicht?! Dass man an mir plötzlich dieses Interesse zeigte, hatte mich schon überrascht. Bisher wurden die schönen Rollen von anderen gespielt. Aber das Modeln hat Spaß gemacht. Man verändert sich einfach als Typ, und als Mann hat man die Chance, für viele Leute interessanter zu werden, gerade wenn man älter wird. „Der zehnte Sommer“ war ja in gewisser Weise ein Kostümfilm. Das Schlüpfen in Anzüge aus den Sechzigerjahren und die andere Frisur – das fand ich toll, das hatte schon was!