Interview mit Regisseur Marcel Wehn


Wie reagierte Wenders auf den Vorschlag, diesen Film zu machen? War es leicht, ihn, "den Schweiger", zum Reden zu bringen? Was sagt er über das Ergebnis?

Wenders hat sehr schnell auf meine Anfrage reagiert, einen Film über ihn zu drehen. Ich sollte mich vorstellen, wir haben etwa zwanzig Minuten miteinander gesprochen und danach hat er direkt zugesagt. Vorher hatte ich in einem sehr ausführlichen Exposé bereits vermittelt, dass ich einen offenen und persönlichen Rückblick auf sein Leben drehen möchte und dennoch hat Wenders nie eine Einschränkung in Bezug auf die Themen des Films oder meine Fragen gefordert.
Scheinbar hat das Medium Film für ihn die Legitimation geschaffen, sehr ehrlich und direkt über sich und seine Arbeit zu sprechen.

Wenders hat sich auch nie konkret über das Ergebnis geäußert. Vielmehr war während der Phase der Fertigstellung des Schnitts seine Frau Donata das Sprachrohr zum Ehepaar Wenders. Sie hat kurz vor der Premiere intensiv Kontakt zu mir gehalten und wir haben oft über den Inhalt des Films und seine Konsequenzen, die er für das Bild von Wim Wenders nach Außen hin haben würde, gesprochen. Das letztendliche Einverständnis von Donata und Wim Wenders zum Film hat sich schließlich dadurch gezeigt, dass beide sowohl zur deutschen Premiere während der Berlinale, als auch erst neulich zur internationalen Premiere in Turin, Italien selbst anwesend waren und sich den Fragen des Publikums gestellt haben.

Ganz am Anfang ist mal von der Nouvelle Vague die Rede, die Wenders da offensichtlich noch nicht gekannt hatte. Dann wird von seiner Studentenzeit in Paris erzählt und dass er Stammgast in der Cinématèque war. Man erfährt aber nichts darüber, welche Filmemacher ihn letztlich in seinem Wunsch, nun Filmemacher werden zu wollen, bestärkt haben. Hat er dazu nichts gesagt?

Wenders betont immer wieder, dass er an sich keine konkreten Vorbilder hatte, die sein Schaffen in irgendeiner Weise geprägt haben. Natürlich habe ich ihn nach seinen Vorbildern gefragt und er hat folgendermaßen geantwortet: Stark beeindruckt und geprägt in seiner Jugend- und Studentenzeit haben ihn Western, allen voran wohl Filme von Howard Hawks. In Paris hat er dann das Werk des japanischen Filmemachers Yasujiro Ozu kennen gelernt, welches für ihn die ästhetische und inhaltliche Essenz des filmischen Schaffens überhaupt bedeutet. Der Film "Der Himmel über Berlin" trägt am Ende die Widmung »Allen ehemaligen Engeln gewidmet, vor allem aber Yazujiro, François und Andrej.« womit er die drei Filmemacher Ozu, Truffaut und Tarkowskij meint.
Dennoch habe ich diese Thematik nicht im Film verwendet, da Wenders zwar bestimmte Regisseure liebt und bewundert, sich aber nicht durch bestimmte Filmemacher geprägt sieht.

Von welchen Filmemachern fühlen Sie sich beeinflusst?

Natürlich ist hier allen voran Wim Wenders zu nennen, der mich in Bezug auf filmische Langsamkeit und eine bestimmte Form der Sehgewohnheit geprägt hat. In ähnlicher Form folgt für mich darauf ebenso Andrej Tarkowskij, der regelrechte Filmgedichte gedreht hat mit einer Bildgewalt, die man heute nur noch schwer wieder finden kann. Viel gelernt habe ich von den ungewöhnlichen Werken von Jean Cocteau, der wiederum Literatur und Film einzigartig miteinander verbunden hat und schließlich sind noch Marcel Camus zu nennen, dessen Herzlichkeit mich berührt und im gleichen Atemzuge auch Pasolini und Fellini, die die Möglichkeiten der Sprache des Kinos in ihrer Zeit weit voran gebracht haben.

„Von einem der auszog“ war Ihre Abschlussarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg und wurde auf der Berlinale 2007 präsentiert. Was hat sich seitdem für Sie getan? Gab es weitere Filmprojekte? Reizt es Sie, auch einen Spielfilm zu drehen? Was wäre das Thema?

Nach der Premiere auf der Berlinale 2007 habe ich erst einmal Zeit gebraucht, mich "wieder zu finden". Die fünf Jahre Studienzeit an der Filmakademie waren sehr intensiv und es dauert einige Zeit, bis man von diesem film-klösterlichen Leben, wie wir Studenten in Ludwigsburg es gerne nennen, zurück findet in die Wirklichkeit. Mit der Berlinale hat sich auch das Niveau und der Anspruch an sich selbst verändert, da man wahrnimmt, wie viele sehr gute Filme jedes Jahr gemacht werden. Entsprechend bin ich zurzeit in der Phase von sehr ausführlichen Recherchen, um mir mit meinem neuen Filmthema sicher zu sein.

Da ich persönlich viel mehr vom Spielfilm als vom Dokumentarfilm geprägt bin, reizt mich die Idee eines Mischfilms, bei dessen Umsetzung man szenische Dramaturgie mit Hilfe von dokumentarischer Schauspielführung herstellt. Eines meiner nächsten Projekte soll also definitiv ein Spielfilm mit starker dokumentarischer Prägung werden.


Das Interview führte Thomas Volkmann, Freier Journalist