SÂDHU – AUF DER SUCHE NACH DER WAHRHEIT

Hintergründe

WAS IST EIN SADHU?

„Sadhu“ kommt aus dem Sanskrit und bedeutet „guter Mann, heiliger Mann”. Der Sadhu legt das Armuts- und Keuschheitsgelübde ab. Er ist der mythische Charakter Indiens, welcher sowohl die Philosophie sowie die Ablehnung materieller Güter zugunsten der Spiritualität verkörpert. „Sadh” bedeutet Wahrheit, und „Sadhu” der Wahrheitssucher.

Die Sadhus trennen alle Verbindungen zu ihren Familien. Sie besitzen keinen Reichtum. Sie leben zurückgezogen oder betteln auf den Straßen von Indien und Nepal und ernähren sich von den Gaben der Gläubigen.

Sie machen 0,5% der indischen Bevölkerung aus, die authentischen Sadhus zeigen sich jedoch in der Regel nicht außerhalb des Kumbh Mela. Die Sadhus praktizieren die Meditation. Um das körperliche Leiden zu reduzieren, das den Menschen anfällig macht, erlegen sie sich viele Kasteiungen auf.


SURAJ BABA

In Darjeeling, Indien geboren und aus einer bürgerlichen Familie stammend, ließ Suraj alles hinter sich, um den einfachen Alltag eines Asketen zu leben. In Indien als heiliger Mann respektiert, hat er sich von allem getrennt, um sich der Meditation zu widmen. Als er Gaël kennenlernt, lebte er schon acht Jahre in seiner Grotte auf 3200 Meter Höhe im Himalaya.


DIE KUMBH MELA

Die Kumbh Mela ist die größte religiöse Zusammenkunft in der Welt, eine Pilgerfahrt, die alle 12 Jahre am Fuße des Himalaya an den Ufern des Ganges stattfindet. Sie zieht Millionen von Pilgern an. Das Festival spiegelt die komplexe Mischung aus religiösen und kulturellen Werten wieder, die den Stoff der indischen Gesellschaft bildet.

Die Kumbh Mela enthielt damals den Nektar der Unsterblichkeit. Im Ganges, dem heiligen Fluss, zu baden gewährleistet dem Gläubigen die Vergebung all seiner Sünden. Mehr für die Sadhus als für die Gläubigen, stellt es eine einzigartige Veranstaltung dar.

1977 brachte es mehr als 11 Millionen Pilger zusammen, 1998 waren es 25 Millionen und über 70 Millionen im Jahr 2010.



HINTERGRUNDGESCHICHTE

In sechs Jahren hat Gaël viele hinduistische Sadhus in Indien und Nepal kennengelernt und diese aus Faszination für ihre Entbehrungsphilosophie während ihrer Pilgerreisen begleitet. Da diese Sadhus in seinem Film Nomad’s Land – Auf den Spuren von Nicolas Bouvier nur wenige Male zu sehen sind, hat Gaël während der Postproduktion des Films den Wunsch geäußert, dass einer von ihnen der Protagonist in seinem nächsten Film sein sollte. In den drei Monaten, in denen er nach einem Hauptdarsteller für seinen Film SADHU suchte, hat sich seine Faszination für die Asketen in Zuneigung gewandelt. Auf seiner Suche nach dem perfekten Sadhu traf Gaël auf Suraj Baba, der Gaëls Mythos des Sadhus – des wirklichkeitsfremden Asketen und heiligen Mannes nach indischer Auffassung – zunichte gemacht hat.

Gaël gefiel an Suraj besonders, dass er mit seiner Brille und seinem großen Interesse für die westliche Kunst (wie z.B. Rockmusik, die platonische Philosophie, Bücher von Hermann Hesse und Saint-Exupéry) auf den ersten Blick nicht der Inbegriff eines gewöhnlichen Sadhus war. Darin lag einerseits seine große Stärke und andererseits seine große Schwäche. Suraj muss seinen eigenen Weg zwischen der westlichen und östlichen Welt, der Konsumgesellschaft und der Entbehrung, einem heiteren Familienleben und der Ernsthaftigkeit der Einsamkeit finden. Außerdem muss er entscheiden, ob es ihm wichtiger ist, Erfolg im Leben zu haben oder ein erfolgreiches Leben zu führen. Während er sich bemüht, diese gegensätzlichen Lebensweisen zu verinnerlichen, widerlegt er gängige Klischees über den Orient oder die orientalische Spiritualität. Die Suche auf seiner Initiationsreise bewegt ihn dazu, sich nicht zwischen der Einsamkeit und der Welt, seiner Vergangenheit in der Gesellschaft und der Ernsthaftigkeit seines gegenwärtigen Lebens zu entscheiden. Er versucht diese Elemente zu vereinen und gleichzeitig innerhalb und außerhalb der Welt zu sein.

Gaël ist einer der wenigen Menschen, denen Suraj in den letzten acht Jahren begegnet ist. Während der ersten Tagen sagte er so wenig, dass Gaël nicht sicher war, ob er tatsächlich Englisch spricht. Als die Wochen vergingen, vertraute sich Suraj Gaël und später auch der Kamera zunehmend an. Da der Regisseur alleine war und kein Filmteam ihn begleitete, konnte er beliebig alle Aktivitäten des Sadhus aufzeichnen, ohne ihn dabei zu stören. Suraj ist aber vor allem sein Freund geworden. Dank der wachsenden Freundschaft und dem einmaligen Kumbh Mela Fest beschließt Suraj, seinen langjährigen Traum endlich zu verwirklichen. Er will sich seinen Dämonen stellen und die Vergangenheit und die Zukunft vereinen, um die Welt entweder in seiner Grotte oder in ganz Indien zu erleben. Auf der gemeinsamen Pilgerreise beginnen wir zu ahnen, dass es sich bei der indischen Spiritualität teilweise bloß um ein großes Business handelt. Nachdem wir Suraj Baba im Film mehr als ein Jahr begleiten, stellen wir jedoch ebenfalls fest, dass diese indische Spiritualität wirklich existiert. Die jahrtausendealte Philosophie befasst sich mit dem Platz, den der Mensch in der Welt und in der Natur einnimmt, und mit der Beherrschung des Körpers und der Gedanken. Eine Spiritualität, die vor allem eine universelle Idee der Entwicklung anstrebt, die der persönlichen Entwicklung jedoch nur wenig Bedeutung zuschreibt. Entdecken Sie in Gaëls Film die Schönheit und die Gedankenwelt Indiens.