HOCKNEY

Kommentar des Regisseurs

Ich kannte Hockney seit ungefähr 16 Jahren. Er ist ganz einfach eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Ich hätte gerne einen Film über ihn gemacht, auch wenn er kein berühmter Künstler wäre. Natürlich ist David als öffentliche Person, als Showmensch bereits bekannt. Er taucht in den englischen Medien fast wöchentlich auf, ein brillanter und komischer Redner über Kunst und andere Themen, aber er spricht in der Öffentlichkeit selten, wenn überhaupt, über seine inneren Ängste. Wie konnte ich den besinnlichen, eher unbekannten Teil seiner Person vorstellen, die ich kennengelernt hatte?

Zufällig kam ich eines Tages ins Davids persönliches Archiv in Los Angeles. Mir fiel ein Regal mit einer großen Anzahl von David selbst gefilmten Videos auf, daneben ein Dutzend Fotoalbums. David ließ mich diese Fundstücke anschauen und entdeckte schnell, wie spannend sie waren – gefüllt mit wundervollen, selbstvergessenen Momenten – voller Hinweise auf den außergewöhnlich unabhängigen Geist, der hinter seinen künstlerischen Leistungen steht. Der Film musste nur noch gemacht werden.

Warum fasziniert David mich? Hockney ist, wie er selbst sagt, einmalig: total engagiert, witzig, zutiefst rebellisch und extrem praktisch. Er ist gesellig und doch seltsam allein in der Welt. Er ist ein ungewöhnlich optimistisch, aber nichts weniger als naiv. Er liest und denkt sehr tiefgründig über mehrere Themen nach, auch wenn er manchmal die Geduld seiner Besucher mit daraus resultierenden langen Monologen strapaziert (eine gute Entschuldigung dafür ist, dass er mittlerweile ziemlich taub ist). Wenn er ein Projekt findet, strahlt er tiefste Zuversicht aus, bleibt aber gleichzeitig sehr bescheiden, kindlich unschuldigen. Er fordert uns dazu heraus, in der Gegenwart zu leben, die Welt mit eigenen Augen zu sehen. Das klingt nach einem sehr einfachen Ratschlag, ist aber sehr schwierig zu erreichen. Vielleicht ist Optimismus deshalb so wichtig; Vielleicht sehen die Dinge heute noch nicht wirklich, vielleicht sind wir noch nicht wirklich lebendig, aber wir bleiben optimistisch, die Möglichkeit der Einsicht besteht noch. „Aufregende Zeiten liegen vor uns,“ sagt David. Ich hoffe, der Film hat etwas seiner seltenen und kostbaren Energie eingefangen. Und sicherlich hat Hockneys Haltung auf seine engere Umgebung abgefärbt, die zutiefst ehrlich und gefühlvoll über ihren langjährigen Freund sprechen.

Viele Gründe sprachen dafür, eine Kinodoku zu machen: Ich wollte einen starken Eindruck von den beiden so verschiedenen Orten vermitteln, die David sein Zuhause nennt – die weiten, hellen Landschaften von Kalifornien und die düsteren Hügel von East Yorkshire. Der kreative Einfluss dieser absolut konträren Umgebungen ist ein großer Antrieb für Davids konstanter Suche nach Antworten, sowohl künstlerisch als auch persönlich. Außerdem gibt das digitale Kino vorzüglich die Malerei wieder. Die Farbgenauigkeit und die Bildauflösung sind atemberaubend. Davids rund 200 Gemälde sehen auf der großen Leinwand umwerfend aus. David würde schnell herausstellen, dass die beiden Medien Kino und Malerei m 20. Jahrhundert eine viel nähere Beziehung zueinander haben als gemeinhin wahrgenommen wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen die humanistischen Filmemacher sich als Fortführung der Tradition der figurativen Malerei. Und Filme waren sehr bedeutsam für David. Er zog in die Hügel von Hollywood, er freundete sich mit Billy Wilder an und natürlich experimentierte er in den letzten dreißig Jahren mit Film, woraus kürzlich seine Multi-Leinwand-Filme resultierten. Einige seiner letzten Malereien sind gewaltig und in einem Breitwand-Format. Mir bietet das Kino die Möglichkeit, mit Malerei in einer sehr bodenständigen Weise umzugehen, ohne Voice-Over und anderen Standards, die die Kunstwelt erwartet. Im Dunkeln können wir uns wirklich und ohne Unterbrechung auf die kraftvollen Bilder konzentrieren.

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Für Hockney geht es bei visueller Kunst nicht nur um die Tradition der gemalten Bilder für Galerien oder Höhlen. Als Junge verliebte er sich in die Kinoleinwand in Bradford genauso wie in die Gemälde, die er gedruckt in Skira Kunstbüchern fand, und, was für diesen Film entscheidend ist, letztendlich gab er mir die Genehmigung, all die ungesehenen Experimente verwenden zu können, die er mit Film und Video und frühen Stilleben gemacht hatte. Der Film ist entstanden aus den magischen Beispielen seiner Arbeit und den vielen Auftritten, die er bei Kino- und Fernsehdokumentationen (wie bsp. „A Bigger Splash“ von Jack Hazan) absolvierte. Dazu, natürlich, noch unsere eigenen Entdeckungen der Landschaften und die intimen Interviews mit seinen Freunden.

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Ich fand Davids optimistische Erforschungen immer sehr inspirierend und bewegend, da sein Leben sehr kompliziert war. Er suchte nach Liebe und Frieden, aber die Bomben fielen nahe seinem Haus in Bradford im 2. Weltkrieg und die meisten seiner Freunde starben an Aids. Und doch behielt er seinen Optimismus, den Satz „Das Leben ist ein Geschenk“ wiederholte er wie ein Mantra. Er lebt immer noch an zwei Orten: in der familiären Gemütlichkeit des Zuhauses seiner Mutter im kalten Nord Bridlington und im stylish und modern mediterranen Hollywood. Er begrüßt die Komplexität seines Lebens als kreative Herausforderung. Wie seiner alter Freund aus Bradford und Künstlerkollege David Oxtoby im Film sagt, „er ist noch auf der Suche“.